CIO Bayern Dr. Fabian Mehring
© Andreas Gebert

Im Datenstrom der Demokratie

Wie der Bayerische CIO Dr. Fabian Mehring die digitale Landesidentität neu formen will – ein VdZ-Interview

„Ich bin überzeugt: Das stärkt am Ende sogar unsere Demokratie!", betont Dr. Fabian Mehring, Chief Information Officer (CIO) des Bayerischen Staatsministeriums für Digitales. Der 35-Jährige hat eine Vision: Bayern soll sich bis 2030 zu einem modernen Land entwickeln, das die Digitalisierung in sämtlichen Lebensbereichen vorantreibt.
Auf diese Idee ist der Augsburger nicht allein gekommen. Seine Vorgängerin Judith Gerlach hat bereits im März vergangenen Jahres den „Digitalplan Bayern“ vorgestellt. Dieser umfasst sieben Handlungsfelder und insgesamt 205 Maßnahmen, die innerhalb von sechs Jahren umgesetzt werden sollen. Bei jedem Projekt soll der Mensch im Mittelpunkt stehen – von der Cybersicherheit über digitale Innovationen bis hin zur Förderung der Medienkompetenz. Große Schlagworte, aber was verbirgt sich dahinter? Welche konkreten Maßnahmen sind geplant? Was davon kommt in den Kommunen an? Und wie groß ist der Handlungsspielraum des Digitalministeriums angesichts finanzieller Kürzungen? Im VdZ-Interview leuchtet Dr. Mehring den bevorstehenden Pfad aus.

Verwaltung der Zukunft: Ihr Digitalplan setzt auf insgesamt sieben Handlungsfelder und die einzelnen, geplanten Maßnahmen verfügen über eine direkte Feedback-Funktion für die Bevölkerung. Das folgt Ihrem Prinzip „Der Mensch steht im Mittelpunkt“. Wie planen Sie die Umsetzung?

Dr. Fabian Mehring:  Unser Digitalplan ist die erste Vision eines deutschen Bundeslandes dafür, wo wir 2030 in der Digitalisierung stehen wollen. Dafür haben wir – in enger Abstimmung mit allen Ministerien der Staatsregierung – federführend unseren Bayern-Plan entwickelt. Er deckt alle Aspekte des modernen Lebens ab. Um das sicherzustellen, haben wir Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Verwaltung frühzeitig eingebunden.

Dr. Fabian Mehring ist seit November letzten Jahres der Bayerische Staatsminister für Digitales, auch bekannt als Chief Information Officer (CIO). Zuvor hielt er das Amt des parlamentarischen Geschäftsführers der Freien Wähler von 2018 bis 2023 inne, wo er seit 2008 Mitglied ist.
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Auch die breite Öffentlichkeit konnte sich auf der eigens eingerichteten Online-Beteiligungsplattform unmittelbar einbringen und konkrete Maßnahmen vorschlagen. Um maximale Transparenz herzustellen, haben wir sogar erste Entwürfe des Digitalplans auszugsweise zur freien Kommentierung für die Allgemeinheit online bereitgestellt.

Ich nenne ein Beispiel für die Rückmeldungen aus der Mitte der Bevölkerung, die wir im Zuge dessen erhalten haben: Während man Autos schon lange online anschauen, konfigurieren und kaufen kann, musste man für die Zulassung bis vor kurzem in der Regel persönlich zum Amt – und dort für einen Vorgang von wenigen Minuten unter Umständen noch stundenlang warten. Das hat die Leute gestört, weil sie viel Zeit auf der Zulassungsstelle zubringen mussten, um einen Verwaltungsvorgang durchzuführen, der eigentlich nur eine Minute dauert. Nun haben wir das geändert und bieten digitale Zulassungen an. So wie in diesem Beispiel arbeiten wir nun all unsere Hausaufgaben aus dem Digitalplan-Prozess sukzessive ab. Mit dieser Kernarbeit wollen wir unsere Prozesse und Dienstleistungen zukünftig an den Bedürfnissen der Nutzenden orientieren und schrittweise einen modernen Staat erschaffen, der seinen Bürgerinnen und Bürgern in Form einer innovativen Verwaltung begegnet.

VdZ: Welche konkreten Maßnahmen werden ergriffen, um die individuelle, digitale Souveränität der Bürgerinnen und Bürger zu fördern und ihre Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien zu stärken?

Dr. Mehring: Ein souveräner, sicherer, gleichzeitig aber auch kritischer Umgang mit digitalen Tools und Medien ist die Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts schlechthin. Dazu gehört vor allen Dingen ein reflektierter Umgang mit digitalen Medien. Mir bereiten aktuell insbesondere gezielte demokratiefeindliche Propaganda, Fakenews sowie Hass und Hetze im Netz Sorgen. Gerade im Vorfeld der Wahl zum Europäischen Parlament am 9. Juni häufen sich derzeit bewusste Falschmeldungen und Wahlbeeinflussungsversuche von extremistischen Kräften oder durch Russland, China und Iran.

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Bayern gerät dabei unweigerlich ins Auge des Sturms der digitalen Propaganda. Umso mehr muss die Demokratie dort Präsenz zeigen, wo Hass und Hetze entstehen.

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Bayern gerät dabei unweigerlich ins Auge des Sturms der digitalen Propaganda. Umso mehr muss die Demokratie dort Präsenz zeigen, wo Hass und Hetze entstehen. Deswegen schmiede ich aktuell gemeinsam mit Innenminister Joachim Herrmann ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen Hetze und Desinformation im Internet. Zusammen bringen wir ein kraftvolles Maßnahmenpaket auf den Weg, um zu verhindern, dass soziale Medien als Fakenews-Maschinen missbraucht werden. Wir wollen keine Deepfake-Demokratie werden, sondern politischen Geschäftsmachern im digitalen Raum das Handwerk legen. Was am Stammtisch kriminell ist, muss auch im Internet illegal sein.

VdZ: Das Budget des Digitalministeriums lag im vergangenen Jahr bei 115 Millionen Euro gegenüber eines Staatsbudgets von mehr als 71 Milliarden Euro. Dieses Jahr fällt zusätzlich die Bayerische Film- und Computerspieleförderung weg. Welche Rolle kommt Ihrem Ministerium vor diesem Hintergrund zu? Wollen auch Sie, wie der Bundesfinanzminister, „mit weniger Geld bessere Politik machen“?

Dr. Mehring: Zunächst einmal bemisst sich die Rolle eines Ministeriums ja nicht daran, wieviel Steuergeld dort ausgegeben wird. Entscheidend ist die Bedeutung der Aufgabe, um die wir uns kümmern. Und da gilt: Digitalisierung ist das Masterthema unserer Zeit! Weil die digitale Transformation nun einmal eine Querschnittsaufgabe ist, die alle Lebensbereiche betrifft, habe ich unser Zukunftsministerium im Rahmen einer Organisationsreform auch dementsprechend aufgestellt. Kurzum: Wir verstehen uns als Architekturbüro für ein modernes Bayern – nicht als dessen Bauunternehmen.

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Wir erhalten im aktuellen Doppelhaushalt mit 17% Mittelaufwuchs den größten prozentualen Zuwachs aller Ressorts, was zeigt, dass man in Bayern das Potenzial der digitalen Transformation erkannt hat.

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Unsere Aufgabe besteht folgerichtig darin, die über zwei Milliarden Digital-Ausgaben im Staatshaushalt so zu koordinieren, dass die digitale Zeitenwende im Freistaat gelingt. Dass wir hierfür im aktuellen Doppelhaushalt mit 17% Mittelaufwuchs den größten prozentualen Zuwachs aller Ressorts erhalten werden zeigt, dass man in Bayern das Potenzial der digitalen Transformation erkannt hat. Wir investieren dort, wo unsere Zukunft liegt – im Digitalen. Dazu passen auch die zusätzlichen Kompetenzen wie etwa der Digital-Check für alle neuen Gesetze, die unser neuer Koalitionsvertrag meinem Ministerium zugewiesen hat. Übrigens: Die Förderung für XR und Games verbleibt in unserem Haus. Der Neuzuschnitt betrifft lediglich den Filmsektor, der jetzt passenderweise vom Medienminister verantwortet wird.

VdZ: Sie betonen die Bedeutung von Open Data in Ihrem Digitalplan. Wie wird die Bayerische Regierung sicherstellen, dass Kommunen „ihre offenen Verwaltungsdaten zentral zur Verfügung“ stellen können?

Dr. Mehring: Daten sind der Treibstoff des digitalen Zeitalters: egal ob bei der Entwicklung neuer Technologien oder bei der Konzeption innovativer Geschäftsmodelle. Open Data ermöglicht datengetriebene Innovationen und wirkt als Booster für ein modernes Bayern. Deshalb haben wir unser neues Portal ‘open bydata’ geschaffen. Damit tragen wir dem Verfassungsgrundsatz der gleichwertigen Lebensverhältnisse Rechnung und eröffnen auch dem ländlichen Raum gezielt die Möglichkeit, kostenlos und unkompliziert Daten zu teilen. Daten ermöglichen „Data Driven Government“ und transparente Entscheidungen. Moderne Politik wird damit nahbarer und nachvollziehbarer. Ich bin überzeugt: Das stärkt am Ende sogar unsere Demokratie!

VdZ: Die Unterstützung der Kommunen ist Ihnen als Kommunalpolitiker ein persönliches Anliegen. Wie steht es um die Digitalisierung der Kommunen? Welchen Mehrwert bieten das Bayerische Digitalgesetz und die Umsetzungspläne? Welche Unterstützung bieten Sie?

Dr. Mehring: Ich bin auch als Politiker bewusst nach wie vor im Kommunalparlament meiner Heimat aktiv. Als Digitalminister will ich nämlich die Chancen der Digitalisierung zu den Menschen und in alle Regionen des Freistaats bringen. Das klappt nur über Bayerns Kommunen, weil unser Staat dort unmittelbar auf die Lebenswirklichkeit der Menschen trifft. Nirgends anders als in den Rathäusern und Landratsämtern entscheidet sich, ob der Staat als modern und effizient oder als verstaubt und ineffektiv wahrgenommen wird. Umso mehr unterstützen wir die Kommunen als Freistaat in vielerlei Hinsicht beim Ausbau ihres digitalen Verwaltungsangebots. Etwa durch zentrale Bereitstellung und Finanzierung ausgewählter Online-Dienste. Mit unseren „BayernPackages“ stellen wir den Kommunen über 200 Verwaltungsleistungen als Online-Dienste durch den Freistaat zur Verfügung. Dabei wird die Hälfte der Kosten in Höhe von bis zu 21 Millionen von meinem Ministerium getragen, die andere Hälfte kommt von den Kommunen. Darüber hinaus werden die Rollout-Kosten von bis zu fünf Millionen Euro vollständig von uns übernommen. Beim Rollout greifen wir den Kommunen zudem mit unserer BayKommun, einer eigens gegründeten Digitalagentur in gemeinsamer Trägerschaft von Land und kommunaler Familie, unter die Arme. Kürzlich konnte ich zudem den europäischen KI-Pionier Aleph Alpha mit eigener Niederlassung und Bayerischem Rechenzentrum nach München locken und eine enge Zusammenarbeit vereinbaren. So bahnen wir uns den Weg ins KI-Zeitalter. Wir kündigen also nicht nur an und reden über die Chancen der Digitalisierung – wir liefern auch und nutzen sie!

VdZ: Wie stellen Sie sicher, dass die Cybersicherheit bei dem Roll-Out von neuen Technologien – wie etwa KI und Cloud – berücksichtigt werden, um potentielle Risiken zu minimieren und die digitale Souveränität des Freistaats zu schützen?

Dr. Mehring: Cybersicherheit ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit und ein wesentlicher Standortfaktor in der digitalen Welt. In Bayern haben wir dafür bereits ein gut ausgebautes Ökosystem und wollen es noch deutlich stärken. Dazu wählen wir einen ganzheitlichen Ansatz von Cybersicherheit.

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Es liegt mir besonders am Herzen, bei den digitalen Zukunftstechnologien nicht vollständig von Hyperscalern vom anderen Ende der Welt abhängig zu sein. Deshalb bereiten wir über unser europaweit einzigartiges Ökosystem der UnternehmerTUM in München einen fruchtbaren Boden, dass mittelfristig auch hierzulande Tech-Giganten wachsen können.

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Flankierend zu den bewährten Aktivitäten unseres Landesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) setzen wir dabei auch auf Netzwerke wie die Allianz für Digitale Kompetenzen meines Hauses, über die wir in engem Kontakt mit den globalen Tech-Champions der ganzen Welt stehen. Zeitgleich bringen wir über zahlreiche Programme zur digitalen Teilhabe Digitalkompetenzen in die Bevölkerung – von der Goldie-App für die Kleinsten, über „digital-verein(t)“ für das Ehrenamt bis zur „zusammen-digital“-Beratungstheke für Senioren.

Schließlich liegt es mir besonders am Herzen, bei den digitalen Zukunftstechnologien nicht vollständig von Hyperscalern vom anderen Ende der Welt abhängig zu sein. Deshalb bereiten wir über unser europaweit einzigartiges Ökosystem der UnternehmerTUM in München einen fruchtbaren Boden dafür, dass mittelfristig auch hierzulande Tech-Giganten wachsen können, deren DNA ein westlich-demokratisches Verständnis von Datensouveränität beinhaltet. Die bereits erwähnte, erfolgreiche Ansiedlung von Aleph-Alpha begreife ich ebenfalls als einen Schritt in diese Richtung.